Für einen Nationalen Bildungsgipfel: Breiter Appell an Bundeskanzler, Länderchefinnen und Länderchefs

Für einen Nationalen Bildungsgipfel: Breiter Appell an Bundeskanzler, Länderchefinnen und Länderchefs

Leistungsdefizite, Chancenungleichheit, Pädagoginnen- und Pädagogenmangel: Die massiven Probleme im deutschen Bildungssystem verletzten die Rechte jedes einzelnen Kindes und Jugendlichen auf bestmögliche Bildung und haben Folgeschäden für die gesamte Gesellschaft. Deshalb erfordern sie politisches Handeln in gesamtstaatlicher Verantwortung. Ein breiter Kreis aus Stiftungen, Verbänden und Gewerkschaften appelliert an den Bundeskanzler und die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder, mit einem Nationalen Bildungsgipfel einen grundlegenden Reformprozess im Bildungswesen einzuleiten.

Düsseldorf, 14. März 2023. Die Lösung der massiven Probleme im deutschen Bildungssystem duldet keinen weiteren Aufschub. Aus dieser Überzeugung heraus richtet ein breiter Kreis aus Stiftungen, Verbänden und Gewerkschaften einen gemeinsamen Appell an alle Verantwortlichen in der Politik. Anlass ist der heutige Bildungsgipfel am Rand der Bildungsforschungstagung des Bundesbildungsministeriums, der mit Blick auf Format, Vorbereitung, Agenda und Teilnehmende der Dimension der Herausforderung nach Ansicht der Unterstützerinnen und Unterstützern des Appells nicht gerecht wird. „Es ist höchste Zeit, dass Bundeskanzler Olaf Scholz und die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Bundesländer einen echten Nationalen Bildungsgipfel einberufen. Dieser Gipfel sollte alle relevanten Akteure in der Bildung an einen Tisch bringen und den Auftakt zu einem grundlegenden, gesamtgesellschaftlichen Reformprozess markieren, um einen Neustart in der Bildung einzuleiten“, appellieren die Unterstützerinnen und Unterstützer.

Die Alarmsignale sind längst unverkennbar und zeigen sich bereits in der frühen Bildungsphase: Bundesweit fehlen Hunderttausende Kita-Plätze, zudem können viele Kitas aufgrund einer nicht kindgerechten Personalausstattung ihren Bildungsauftrag nicht mehr erfüllen. An den Grundschulen wiederum gehen die Leistungen seit Jahren zurück, vor allem in den Basiskompetenzen Lesen, Schreiben, Zuhören und Rechnen. Auch an den weiterführenden Schulen sinkt das Leistungsniveau auf allen Ebenen dramatisch. Der Anteil der Jugendlichen ohne Schulabschluss bleibt hoch. Zugleich wächst die Zahl junger Menschen, die im Berufsleben den Anschluss verlieren: Mehr als eine halbe Million junge Erwachsene zwischen 20 und 34 Jahren gehen weder einer Arbeit noch einer schulischen oder beruflichen Ausbildung nach. Neben individuellen Risiken erwachsen daraus auch soziale und wirtschaftliche Belastungen für die Gesellschaft. Ein Kernproblem deutscher Bildungspolitik bleibt über alle Bildungsstufen hinweg ungelöst: Bildungserfolge hängen hierzulande noch immer zu stark von der sozialen Herkunft ab. Auf diese Weise werden die Chancen und Rechte von Kindern und Jugendlichen beschnitten und Begabungen vergeudet.

Strukturelle Probleme angehen: Fachkräftemangel, Finanzierung, Steuerung

Obwohl sich alle Beteiligten viel Mühe geben: Dem Bildungssystem gelingt es immer weniger, die Fehlentwicklungen zu korrigieren. Das liegt zum einen am massiven Mangel an Lehrerinnen und Lehrern und pädagogischen Fachkräften, der sich in den kommenden Jahren noch zu verschärfen droht. Darunter leiden nicht nur die Verfügbarkeit und Qualität der Bildungsangebote an Schulen und Kitas, sondern auch das vorhandene Personal. Die steigende Arbeitsbelastung, insbesondere durch nicht-pädagogische Aufgaben, mindert die Attraktivität der Berufsbilder und schreckt künftige Nachwuchskräfte ab. Die Engpässe haben auch Folgen für die Wirtschaft: Fehlende Plätze in Kitas und der Ganztagsförderung von Grundschülerinnen und Grundschüler erschweren die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, während häufiger Unterrichtsausfall die Vermittlung grundlegender Kompetenzen für die Fachkräfte von morgen behindert.

Ein weiteres Problem stellt die Finanzierung des Bildungssystems dar. Sie ist häufig weder auskömmlich noch sozial gerecht. Gerade im Bereich der außerschulischen Angebote ist das Geld zu knapp und nicht langfristig zugesichert. Zudem werden Gelder noch immer zu oft nach dem Gießkannenprinzip verteilt, anstatt sie gezielt dort einzusetzen, wo sie am meisten bewirken können.

Schließlich behindert die Struktur des Bildungssystems selbst Anpassungen und Reformen. Die unsystematische Verflechtung der politischen Ebenen erfordert komplexe Abstimmungen, sowohl zwischen Bund, Ländern, Kommunen und den jeweils beteiligten Ressorts, als auch mit den Trägern. Wohin das führt, zeigen zum Beispiel die zähe Umsetzung des Digitalpakts, der schleppende Ausbau des Ganztagsangebots für Grundschulkinder, die stagnierende Inklusion oder das Fehlen bundesweiter Qualitätsstandards in vielen Bereichen. Gefragt ist eine neue Kultur der Bildungszusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Kommunen, wie sie der Koalitionsvertrag in Aussicht gestellt hat.

Es braucht eine Initialzündung auf den höchsten politischen Ebenen

Allerdings lässt es die Dringlichkeit der Probleme nicht zu, auf eine Neuordnung der kommunalen und föderalen Zuständigkeiten zu warten. Die Missstände im Bildungswesen reichen weit über Kitas und Schulen hinaus. Sie gefährden sowohl die Chancen und Rechte jedes einzelnen jungen Menschen als auch die Zukunft unserer Wirtschaft, Gesellschaft und Demokratie. Bildung soll den jungen Menschen in ihrer persönlichen Entwicklung helfen und Orientierung bieten. Sie soll es ihnen ermöglichen, ein selbstbestimmtes Leben zu führen, an der Gesellschaft teilzuhaben und diese mitzugestalten. Sie soll ihnen die Kompetenzen vermitteln, um in der immer komplexeren Arbeitswelt ihren Platz zu finden. Bildung ist die Grundlage für wirtschaftlichen Wohlstand, Innovationskraft und die Zukunftsfähigkeit unserer demokratischen Gesellschaft. Daher ist es erforderlich, jetzt die Weichen für ein leistungsfähigeres, begabungs- und chancengerechteres Bildungssystem zu stellen.

Um den dringend benötigten Reformprozess herbeizuführen, braucht es eine Initialzündung auf den höchsten politischen Ebenen. Ein Nationaler Bildungsgipfel wäre das starke Signal, die Bildung endlich zur gemeinsamen Chefsache zu erklären. Der Bundeskanzler und die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder haben das nötige Gewicht, um gemeinsam mit den Ministerinnen und Ministern in den Bildungs-, Wissenschafts- und Jugendministerien von Bund und Ländern, Vertreterinnen und Vertretern aus der Bundes-, Landes- und Kommunalpolitik, aus Wirtschaft, Wissenschaft, Bildungspraxis, Zivilgesellschaft sowie von Eltern und Schülerinnen und Schülern zusammenzubringen. Der Nationale Bildungsgipfel sollte den Auftakt zu einem kontinuierlichen Dialog- und Reformprozess mit gemeinsamen Arbeitsstrukturen markieren. Dabei müssen sich alle relevanten Akteure auf gemeinsame Ziele sowie geeignete Maßnahmen verbindlich einigen und darauf hinwirken, diese in gesamtgesellschaftlicher Verantwortung pragmatisch, lösungsorientiert und entschlossen umzusetzen. Denn nur mit vereinten Kräften kann der Neustart in der Bildung als elementare Voraussetzung für die Zukunftsfähigkeit Deutschlands gelingen.

 

 

Den Appell unterstützen:

Allgemeiner Schulleitungsverband Deutschlands (ASD)

Arbeitsgemeinschaft der deutschen Familienorganisationen (AGF) e.V.

Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ

Bertelsmann Stiftung

BöfAE e.V. (Bundesarbeitsgemeinschaft öffentlicher und freier Ausbildungsstätten für Erzieherinnen und Erzieher)

Bund der Freien Waldorfschulen e.V.

Bundeselternnetzwerk der Migrantenorganisationen für Bildung & Teilhabe (bbt)

Bundeselternrat

Bundesverband der Lehrkräfte für Berufsbildung – BvLB

Der Kinderschutzbund Bundesverband e.V.

Deutsche Kinder- und Jugendstiftung

Deutsche Liga für das Kind e.V.

Deutsche Telekom Stiftung

Deutscher Caritasverband

Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB)

Deutscher Lehrerverband

Deutsches Kinderhilfswerk e.V.

Deutsches Komitee für UNICEF e.V.

Diakonie Deutschland

Dieter Schwarz Stiftung

Dieter von Holtzbrinck Stiftung GmbH

Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW)

Grundschulverband e.V.

Heraeus Bildungsstiftung

Karg-Stiftung

Kita-Fachkräfte-Verband Hessen e.V.

Kita-Fachkräfteverband Niedersachsen-Bremen e.V.

komba gewerkschaft

Körber-Stiftung

Landesverband Sozialpädagogischer Fachkräfte Berlin e.V.

National Coalition Deutschland – Netzwerk zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention e.V.

Reinhard Mohn Stiftung

Robert Bosch Stiftung

Schöpflin Stiftung

SOS-Kinderdorf e.V.

Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e.V.

Stiftung Bildung

Stiftung Haus der kleinen Forscher

Unternehmerstiftung für Chancengerechtigkeit

Verband Deutscher Privatschulverbände e.V. – Bildungseinrichtungen in freier Trägerschaft

Verband für Kitafachkräfte NRW e.V.

Verband Kita-Fachkräfte Baden-Württemberg

Verband Kita-Fachkräfte Bayern e.V.

Verband KiTa-Fachkräfte Rheinland-Pfalz

Verband Sonderpädagogik e.V.

Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft – ver.di

Vodafone Stiftung Deutschland

Wübben Stiftung

ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius

Zentrahlwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland

Ansprechpartnerin für die Presse:

Wübben Stiftung Bildung

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